Bruder Nivard Georg Streicher
1854-1927
Der "braune Abt" von Mariannhill

 
Bruder Nivard Georg Streicher, der "braune Abt" von Mariannhill.
Man nannte ihn den "braunen Abt" von Mariannhill - ein"Genie in der Kutte". Er war Architekt, Ingenieur,
Landvermesser, Farmer und Freund, die rechte Hand des Klostergründers Abt Franz Pfanners. Ohne ihn und die vielen anderen fähigen Brüdermissionare wäre Mariannhill nicht das Zentrum der Evangelisation im südlichen Afrika geworden, als das man es heute noch bezeichnen kann.
Bruder Nivard Streicher - er wurde 1854 in Erding bei München als zweites von neun Kindern geboren - erlernte nach der Volksschule das Handwerk seines Vaters. Er wurde Bautischler und Zimmermann. Der erste Anstoß zum Ordensleben kam wahrscheinlich bei einer Audienz mit Papst Pius IX. in Rom. Der 19 jährige Georg erlebte es nach eigenen Worten so: "Den Stein, - den ich das Glück hatte - , aus den Händen des unvergesslichen Pius IX. zu erhalten, habe ich noch immer und er erinnert mich stets daran, dass der Heilige Vater mich bei der Audienz beim Ohr nahm und schüttelte, weil ich ihm auf eine Frage eine recht drollige Antwort gegeben habe. Vielleicht hat die Berührung dieser heiligen Hände das Ohr meines Herzens geöffnet, so dass ich die Stimme, die mich in den heiligen Ordensstand rief, hören und verstehen konnte."

Von 1874 bis ca. 1877 leistete er Wehrdienst im "kgl. bayerischen Infanterie-Regiment Prinz Carl von Bayern". Er besuchte die "Feldwebelschule" und wurde als Fourier ausgebildet. Wieder entlassen, eröffnete er in München eine Kunsttischlerei und half unter anderem beim Bau der Auerkirche mit. Zu dieser Zeit gewann er bei der Lotterie das Hauptlos und ließ daraufhin mit dem Geld das Dach seines Elternhauses in Erding mit Kupfer decken.

1880 trat Georg Streicher - jetzt Bruder Nivard - ins Trappistenkloster Mariastern in Bosnien/Jugoslawien ein und legte am Heiligen Abend 1882 seine Profess ab. Zwei Tage später (im gleichen Jahr) begann Prior Franz Pfanner, der Gründer von Mariastern, im fernen Südafrika die Neugründung Mariannhill bei Durban. Beide Klöster, Mariastern und Mariannhill, unterstanden Pfanner. Erst 1883 verzichtete er auf das Priorat Mariastern, erbat sich aber vom Generalkapitel der Trappisten zehn Professen dieses Klosters, um sie nach Südafrika zu holen. Bruder Nivard war einer davon.

Nach einer ruhigen Seefahrt traf Bruder Nivard Mitte Juli 1883 in Durban ein. Franz Pfanner (er wurde 1885 erster Abt des Missionsklosters) erkannte sehr schnell die außergewöhnlichen Fähigkeiten des jungen Bautischlers. Er übertrug ihm große Verantwortung und machte ihn  zum Chef der gesamten Bauplanung des Missionskomplexes. Die Mühle von Mariannhill war Bruder Nivards erstes großes Werk, ein imposanter Bau, in dem übrigens jahrelang auch die erste Schnellpresse Südafrikas stand. Es folgten viele andere Gebäude: die Klosterkirche, der Brüderkonvent, sowie Kirchen, Schulen und Krankenhäuser auf verschiedenen Außenstationen.

Eine wichtige Arbeit des jungen Bruders, der sich durch Selbststudium zum Architekten und Ingenieur fortbildete, war die Errichtung des "Johannesbrunnen" zur Wasserversorgung der Missionszentrale. Bruder Nivard legte einen 33 Meter langen Damm mit Stausee an, installierte eine Turbine, schloss ein Pumpwerk an und schaffte so 18 Hektoliter Wasser pro Stunde in ein 96 Meter hohes Reservoir; ein Meisterwerk für einen self made man!

Ein gewisser Dr. Groetschel schrieb 1887 nach einem Besuch in Mariannhill: "Dieser Bruder Nivard ist jener Trappisten-Ingenieur, der aus einem künstlich hergestellten Wasserfall des Umhlatusanflusses so viele Kräfte gezogen und zu industriellen Leistungen verwendet hat, wie die Engländer nach ihrem eigenen Geständnis in Südafrika bis heute nichts Ähnliches fertiggebracht haben."

Bald war Bruder Nivard bekannter als Abt Franz. In ganz Natal und darüber hinaus bestaunte man ihn. Auch protestantische Missionare und Regierungsbeamte holten bei ihm Rat. Man rief  ihn, wenn man nicht mehr weiter wusste, und bat ihn um ein Gutachten.

Wo immer Mühlen errichtet oder Turbinen aufgestellt wurden, der "braune Abt von Mariannhill" war als Fachmann zur Stelle. 1909 erhielt er ein Freibillett für die Natal-Eisenbahn, und zwar für Lebenszeit; eine Auszeichnung, die wohl keinem anderen Missionar vor bzw. nach ihm zuteil wurde. Im Anerkennungsschreiben des Ministers für Eisenbahnen und Häfen heißt es, Br. Nivard erhalte diese Vergünstigung "in Anbetracht seiner wertvollen Verdienste für Land und Leute".

Nach dem Tod des Missionsabtes Franz Pfanner (1909) schrieb Bruder Nivard an seinen Bruder Matthias: "Abt Franz hat sein Werk in Afrika vollendet und ruht unter dem herrlichen wilden Feigenbaum auf unserem Friedhof, und unsere Aufgabe ist es, nun ein dem großen Mann würdiges Denkmal zu errichten." Matthias Streicher, der Bildhauer und später Professor für Plastik am Polytechnikum in Aachen war, sollte das Pfanner-Denkmal entwerfen, das dann von Br. Nivard ausgeführt wurde! Bruder Nivard blieb noch viele Jahre die Seele des Bauteams von Mariannhill, auch unter den Nachfolgern Pfanners. Langsam aber stellten sich Krankheiten und Beschwerden ein. Schon 1896 hatte er sich auf einer Informationsreise durch das heutige Simbabwe eine schwere Malaria zugezogen. Hinzu kamen später Ruhr, Paratyphus, Rheumatismus und Ischias. Trotz alledem gab der unwahrscheinlich vielseitige und aktive Mönch nicht auf. Das "Ora et labora", das in großen Lettern über der Eingangspforte zur Missionszentrale steht, hat ihn täglich neu daran erinnert, dass zum Werken und Schuften auch das Beten gehört. Und Bruder Nivard war zeitlebens ein großer Beter gewesen. Oft sah man ihn, den Rosenkranz in der Hand, innerhalb des Klosters auf - und abgehen. Als seine körperlichen Gebrechen größer wurden, rieten ihm die Ärzte, für ein Jahr nach Europa zu gehen und sich dort pflegen und kurieren zu lassen. Nur widerstrebend folgte er ihrem Rat, von seinen Ordensoberen dazu verpflichtet! Am 12. Juli 1922 verließ er sein geliebtes Mariannhill, fast auf den Tag genau 39 Jahre nach seiner Ankunft.

In Sankt Paul bei Arcen, der Niederlassung der Mariannhiller in den Niederlanden, fand der kranke Brudermissionar eine neue Heimat. Es ging ihm gar nicht gut. In einem Brief an Verwandte schrieb er, der sonst nie klagte: "Ich kann nicht schlafen und fühle mich recht elend. Schreiben geht nicht mehr. . ." An eine Rückkehr nach Südafrika war nicht mehr zu denken. Bruder Nivard fühlte den Tod nahen. Am 26. Februar 1927 rief Gott ihn zu sich. Auf dem Klosterfriedhof von Sankt Paul wurde er am 1. März zu Grabe getragen. Im Nachruf hieß es, Bruder Nivard sei vom Scheitel bis zur Sohle ein Mönch gewesen, aber gleichzeitig auch weltgewandt und blitzgescheit, wie nur wenige Mitbrüder seiner Gemeinschaft. Als Trappist hatte er begonnen. Nachdem Rom die Missionszentrale vom Orden löste (1909), wurde er Mariannhiller Missionar und blieb es bis zu seinem Tod. "Mariannhill wäre nicht geworden, was es wurde, hätte es nicht 39 Jahre einen solch fähigen Mann an maßgebender Stelle gehabt." (D. Seubert)
Trotz aller äußerer Erfolge blieb Bruder Nivard ein bescheidener Mann. Er betete und arbeitete viel und wurde so zum Vorbild für seine Mitbrüder. Als rechte Hand Franz Pfanners und Freund der Afrikaner bleibt er in Erinnerung. Die großen Bauten seines Schaffens sind heute noch Zeugen seiner Genialität und Tatkraft: Gebete aus Stein und Mörtel.
 


 
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  Lit.: Adalbert Ludwig Balling, Gute Menschen sterben nicht, sie leben fort in der Erinnerung ihrer Freunde - Mariannhiller Porträts, Würzburg 1989, 22-27; - D. Seubert, Der braune Abt von Mariannhill, Würzburg 1985. Über die Gründung von Mariannhill und die Mariannhiller Missionare: Adalbert Ludwig Balling, Er war für Nägel mit Köpfen - Franz Pfanner 1825-1909 - Phänomen für Türke und Zulu, Mödling 1979; - ders., Der Trommler Gottes, Freiburg 1981; - Joseph Dahm, Mariannhill - Seine innere Entwicklung, sowie seine Bedeutung für die katholische Missions- und Kulturgeschichte Südafrikas, Mariannhill 1949; - Bernard Huss, Mariannhill - Half a Century of African Mission Life, Detroit 1935; - Abtei Mariannhill (Hrsg.), Trappistenkloster Mariannhill. Das Trappistenkloster Mariannhill, oder Bilder aus dem afrikanischen Missionsleben. Im Auftrage seiner Oberen gesammelt von einem Ordenspriester, Freiburg 1907; - Thomas Neuschwanger, Syllogos. Sammlung handschriftlicher und gedruckter Quellen über Mariannhill, Bd. 1, Mariannhill 1908; - Anton Roos, Mariannhill zwischen zwei Idealen - Innere Entwicklung Mariannhills vom Trappistenkloster zur modernen Missionskongregation 1884-1936, Diss. Innsbruck 1962; - Francis Schimlek, Mariannhill - A Study in Bantu Life and Missionary Effort, Mariannhill 1953; - H. Weber, Trappisten-Mission in Südafrika. Beitrag zur Geschichte der Mönche und ihrer Verdienste um die Zivilisation, in: Frankfurter zeitgemäße Broschüren, hrsg. J. M. Raich, Neue Folge Bd. XII (1891), Heft 2, 37-68. D. Seubert, Der braune Abt von Mariannhill, mmk Würzburg 1985; -  Keutner Anna, Brief an Fr. Barnabas Stephan CMM 16.6.1968, Generalatsarchiv CMM; -  Neue Bayerische Zeitung Nr. 82 II.Jg, München Samstag 7.April 1900 S.2;  - Fliegende Blätter aus Mariannhill Nr. 6  12. Februar 1883 S. 17;  - Otto Heberling, Abt Franz Pfanner Reimlingen 1934, 231-252; - Vgl. History of Mariannhill from the year 1879 till 16 th March 1898 Generalat CMM  1 - 28; - Nekrologium CMM  26.  Februar Generalatsarchiv; - Familiäre Nachrichten von Mariannhill FN 4, 1927 S.79;

Barnabas Stephan