"K I R C H E"

 
 

A. Situation

"Christus ja, Kirche nein" ist heute oft zu hören.
Der Kirche wird u. a. vorgeworfen, dass Enge, Gesetzesdenken und 
Unfreiheit in ihr nicht mehr viel von der befreienden Botschaft Jesu 
verspüren lassen. Es scheint schwerer zu sein als früher, in der Kirche 
und mit der Kirche zu leben.

B. Ziel der Gruppenstunde

Die Jugendlichen sollen erfahren, dass Kirche nicht eine anonyme, 
abstrakte Größe ist, die uns nichts angeht, sondern lebendige Gemeinde
sein kann, in der es auf jeden einzelnen ankommt und nur da zu finden ist, 
wo der einzelne Mensch diese Gemeinschaft verwirklicht.

C.Verlauf der Gruppenstunde

1. Wir beginnen mit einem "Brainstorming", 

d.h. jeder sagt, was ihm gerade einfällt zum Thema "Kirche".
Alle Antworten werden aufgeschrieben und geordnet 
(vielleicht mit dem Schema "Minuspunkte" und 
"Pluspunkte" für die Kirche.

2. Wir überprüfen unsere Antworten:

Wie haben wir die Kirche gesehen? 
...  als eine, die uns Vorschriften macht, 
...  als anonyme Institution, 
...  als eine, die Steuern kassiert, 
...  als......

3. Fragen:

Halten wir es für möglich, Christ zu sein, ohne einer konkreten 
Kirche anzugehören? Was spricht dafür, was dagegen? Wo sehen 
wir Gründe für ein weit verbreitetes "Unbehagen" an der Kirche? 
Was wäre notwendig, damit die Kirche wieder ein besseres Image 
(Aussehen) bekäme?

4. Zum Bedenken:

Können wir uns vorstellen, dass Jesu Botschaft zu uns 
gekommen wäre ohne glaubende Gemeinde, also ohne Kirche?
 

 

Lesen wir dazu, was der Dominikaner U. Horst schreibt:

"Die Entstehungsgeschichte der Evangelien 
(für die Apostelgeschichte gilt ähnliches) 
macht deutlich, dass die kirchliche Gemeinschaft mit ihrer 
Predigt, Mission und Liturgie dem geschriebenen Wort vorausgeht.
Denn wer Jesus war, was er wollte und seinen Jüngern weitergab, hat 
sich nur mit Hilfe der in der Urkirche gepflegten Tradition erhalten. 
Jesus außerhalb der ihn überliefernden Kirche gibt es nicht. 
Verkündigung ohne die Gemeinschaft der Glaubenden ist also 
schon in jenen frühen Anfängen undenkbar. Die Evangelien sind 
ihrer Eigenart und Aufgabe nach nicht isoliert umlaufende 
Dokumente, zu denen jeder Zugang hat und die er nach Belieben 
selbst deutet, sondern Ausdruck der lehrenden und gläubig lebenden 
Kirche. Offenbarung und Kirche gehören demnach zusammen."

(Ulrich Horst, Umstrittene Fragen der Ekklesiologie, Regensburg 1971, 42 f) 
 

Welche Bedeutung kommt demnach der Kirche für den Glauben zu?

Die Kirche steht immer unter der Kritik Jesu, auf den sie sich beruft. 
Der weithin bekannte katholische Neutestamentler 
Rudolf Schnackenburg schreibt:

"Wer Jesus von Nazareth als Künder einer Botschaft begreift, die jeden 
Menschen und die ganze Menschheit angeht, wird mit Spannung fragen,
was aus seinem Wollen, seinen Forderungen und Impulsen nach seinem 
Tode wurde. Ist das, was er zutiefst erstrebte, von seinen Anhängern nach
dem furchtbaren Kreuzigungsgeschehen und der umstürzenden 
Ostererfahrung aufgenommen und fortgeführt oder vergessen und verraten worden? 
Ist aus der Jüngerschar, die Jesus zu seinen Lebzeiten sammelte, nach seinem 
Tode etwas ganz anderes geworden, als er selbst intendiert hatte, zuerst eine 
jüdische Sekte, später eine hellenistische Kultgemeinde, schließlich eine neue Religionsgemeinschaft, die als 'drittes Geschlecht' neben Judentum und 
Heidentum emporwuchs und sich siegreich durchsetzte?
Hat sich aus der offenen Sammlungsbewegung, die Jesus entfacht hatte, eine etablierte und institutionell verfestigte Kirche entwickelt, die sich zwar auf 
Jesus beruft, aber von seinem Geist abrückt und von seinem Evangelium 
abgefallen ist? Das Unbehagen an den heute bestehenden Kirchen, das sich in 
unserer Generation ausbreitet, treibt nicht wenige Menschen dazu, die Institution 
"Kirche" selbst in Frage zu stellen und mit den Absichten Jesu zu konfrontieren... Sofern Jesus nicht von vorneherein zu einer Galionsfigur für ein auf fremden Kurs festgelegtes Schiff gemacht wird, also nur zum Aushängeschild für ein fragwürdiges Programm ganz anderer Herkunft dienen soll, ist das Zurückfragen nach dem Wollen Jesu nicht nur berechtigt, sondern sogar ein ureigenes und nie aufgebbares christliches Anliegen."

(Rudolf Schnackenburg, Die nachösterliche Gemeinde und Jesus, in: K. H. Müller (Hg.), Die Aktion Jesu und die Reaktion der Kirche. Jesus von Nazareth und die Anfänge der Kirche, Würzburg 1972, 119)

 


Kirche ist wie?

 

Die Kirche hat Zukunft, wenn sie bereit ist, sich der Zukunft zu öffnen.

"Nun heißt leben, sich ständig verändern, heißt ständig Abschied nehmen 
von vertrauten Lebensformen. In diesem Sinne gibt es immer einen Abschied 
in der Kirche, das heißt von manchen äußeren Formen der kirchlichen  Repräsentanz. 
Die Kirche des 19. Jahrhunderts war nicht unsere  Kirche, und unsere
Kirche wird nicht die Kirche des zweiten Jahrtausends sein, sofern 
wir ihr äußeres Kleid betrachten. Strukturen und äußere Formen, 
das Kleid der Kirche werden sich ändern und müssen sich ändern. Durch 
Reden allein wird es allerdings zu keinen Veränderungen kommen.

Franz Kardinal König

Welche Strukturen, welche Formen könnten wir uns 
für eine Gemeinde der Zukunft vorstellen?

Im Folgenden sind Gesichtspunkte zusammengestellt, 
die für eine Gemeinde der Zukunft von Bedeutung sein könnten. 
Ordnen wir die Punkte nach ihrer Wichtigkeit!

Die christliche Gemeinde wird eine Gemeinde der Zukunft sein 
wenn sie:

- die Botschaft Jesu verkündet
- Eucharistie feiert 
- den Armen hilft
- die Sakramente spendet
- sich für mehr Gerechtigkeit einsetzt 
- die Menschen zum ewigen Heil führt 
- sich um Randgruppen kümmert 
- für Ordnung in der Welt sorgt 
- Moral und Sitte hochhält 
- Gott preist und lobt 
- für die Menschen betet 
- Schuld vergibt
- sich für eine bessere Welt einsetzt 
- Frieden schafft
- eine ideale Gemeinschaft vorlebt
- eine kritische Funktion in der Gesellschaft einnimmt 
- die Heilssendung Jesu weiterführt 
- die Politiker zu Gerechtigkeit und Frieden auffordert 
- den Menschen in seelischer Not hilft 
- Heil vermittelt 
- sich für menschenwürdiges Leben einsetzt 
- auf Reichtum und Macht verzichtet 
- ihren Gottesdienst der Zeit anpasst 
- neue Dienste und Ämter in der Gemeinde einführt 
- die heilige Schrift auslegt 
- zu allen wichtigen Fragen Stellung nimmt
- verkündet, was für die Menschen wichtig ist
 
 

Die christliche Gemeinde wird eine Gemeinde der Zukunft sein!



"Kirche" beschreiben.

5. Wir suchen

gemeinsam einige Sätze, die Kirche" beschreiben können. 
Diese Sätze schreiben wir auf einen Plakatkarton.

Kirche ist ...

6. Wie sieht die Kirche in unserer Gemeinde aus?

Wer trägt hier Verantwortung?

(der Pfarrer, Pfarrgemeinderat, Pfarrschwester, Lektor, 
Ministranten, Gruppenleiter, KAB...)

Welche Aufgaben haben diese Gruppen in der Gemeinde?

Welche Aufgaben gibt es in der Gemeinde, 
um die sich niemand kümmert?

Was wäre in unserer Gemeinde zu tun,
damit Jesu Botschaft besser sichtbar würde?

7. Wir sehen uns noch einmal das Plakat an, 

auf das wir zu Beginn die "Minus-" und die "Pluspunkte" 
der Kirche notiert haben:

Wer ist für die einzelnen Punkte verantwortlich?
 
 

8. Welche Punkte betreffen besonders uns als Jugendliche?

Sind wir nicht oft selbst schuld, dass manches uns nicht gefällt?

9. Wie wäre es, wenn wir uns 
eine Aufgabe herausnehmen würden?

---Welche ???
 

Weiteres Material

Kirche für die Menschen

Um einen Einstieg in das Thema zu finden, könnten wir uns anhand 
einiger Bilder fragen, was die Menschen in verschiedenen Situationen 
von der Kirche erwarten. (Aus Illustrierten, Zeitungen, Plakaten...) 
Möglich wären etwa:
- Bild mit alten Menschen 
- Bild mit Verletzten und Toten 
- Bild mit jungen Ehepaaren und Kindern 
- Bild mit spielenden Kindern 
- Bild mit Arbeitern am Fließband
- Bild mit Wissenschaftlern in einem Computerraum
- Bild mit einer Weltraumbesatzung 
- Bild von einem Fest bzw. Party...

Überlegen wir anhand der vorliegenden Bilder:

Welche Erwartungen an die Kirche haben die Menschen, 
die wir auf dem vorliegenden Bild sehen?

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Jesu Botschaft wollte frohe Botschaft sein für alle Menschen. 
Wie aber sieht unsere Kirche aus?

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Dazu den Leitartikel der Badischen Zeitung vom 3./4. November 1973, der sich mit einer aufsehenerregenden Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts Allensbach beschäftigt:

Grämliche Kirchgänger

Wenn man eine größere Gruppe von Menschen befragt über ihr Verhältnis 
zur Kirche, nach dem, was sie an ihr stört und nach dem Gottesdienstbesuch, 
und wenn man dabei die Befragten beobachtet, ihre Mundwinkel, ihren freien
oder ausweichenden Blick, ihre Art zu sitzen, locker oder steif, ihre gelösten oder zurückhaltenden Bewegungen, und schließlich, ob sie einen fröhlichen Eindruck machen oder nicht, so kommt man bei einer Auswertung von Antworten und Beobachtungen zu dem Ergebnis, dass Menschen, die der Kirche nahe stehen, weniger glücklich aussehen als die ihr Fernstehenden. Frau Professor Noelle-Neumann trug dieses Ergebnis am Freitag der Vollversammlung des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken in Godesberg vor... Am fröhlichsten sahen im großen Durchschnitt Leute aus, die nie in die Kirche gehen und den vorgegebenen Satz, die Kirche passe nicht in unsere Zeit, uneingeschränkt unterschrieben, am grämlichsten diejenigen, die regelmäßig den Gottesdienst besuchen... Im Übrigen gelten die Beobachtungen über die unfrohen Kirchgänger 
für alle Altersklassen mit Ausnahme der Jugend bis zu dreißig Jahren. Da sehen Kirchennahe fröhlicher aus als andere, bei denen es Gruppierungen gibt, denen 
man zu Recht permanent schlechte Laune nachsagt. Bei all dem bleiben viele 
Fragen offen. Warum ist das so, was bewirkt eigentlich Freude? Es ist Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Auch für die Kirche, die offenbar vergessen hat, neben dem Mitleiden die Mitfreude zu lehren; und für diejenigen, die die frohe Botschaft verkündigen und dabei so grämlich aussehen.

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Die Kirche muss sich ständig erneuern, aber sie muss sich hüten, modisch zu 
werden. Dies ist die andere Gefahr, neben der, nur der Tradition anzuhängen:

"Die wahre Reform ist jene, die sich um das verdeckte, wahrhaft Christliche 
bemüht, sich von ihm fordern und formen lässt; die falsche Reform ist jene, 
die hinter dem Menschen herläuft, anstatt ihn zu führen, und damit das Christentum in einen schlecht gehenden Krämerladen umwandelt, der um 
Kunden schreit."

Josef Ratzinger, Das neue Volk Gottes, Düsseldorf 1969, 27

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Wo sehen wir solche hier beschriebene Anpasserei der Kirche? Wie könnte
sich die Gemeinde Jesu Christi davor schützen, zum "Krämerladen" zu werden?

Dazu das kurze Gedicht eines Marxisten, das eine Erklärung dafür sein kann,
warum die Kirche immer mehr an Bedeutung verliert:

"Die Kirche ist taub geworden, sie rennt mit der Zeit um die Wette, will 
neuzeitlich, fortschrittlich, hygienisch, funktionell, leistungsfähig, trainiert, motorisiert, elektronisch sein....
Sie wollen diese Welt beherrschen?
Was sage ich, 'beherrschen' Sie wollen der Welt gefallen!"

L. Kolakowski (polnischer Marxist), in: signum, Okt. 1971, 123

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Auf welche Veränderungen müsste die Kirche eingehen, damit die Botschaft 
Jesu wieder besser verstanden werden könnte? Wie müsste sie sich verhalten, 
um in der Welt glaubwürdig zu sein?

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Die Kirche wird an Jesus Christus gemessen

Die Kirche wird ihrem Auftrag nur gerecht,
wenn sie Maß nimmt am Verhalten Jesu Christi:

Überlegen wir deshalb:

Wie versteht Jesus seine Sendung?

Wie verhält sich Jesus gegenüber

- den Aussätzigen, von denen man annahm, dass Gott sie bestraft habe,
- und sie deshalb aus der Gemeinde ausgeschlossen waren,

- den Zöllnern, die das Gesetz aufgrund ihres Berufes nicht einhalten konnten 
- und mit denen deswegen niemand etwas zu tun haben wollte,

- der Ehebrecherin, die gesteinigt werden sollte,

- Nikodemus, obwohl er ein Pharisäer war?
 

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