Dr.Hanna Decker
Nachruf 
auf
Dr. Hanna Decker
"Solch ein Tod, wie ihn unser Mitglied Dr. Hanna Decker erfuhr, bewirkt zunächst Fassungslosigkeit und in ihr Sprachlosigkeit. Solch ein Tod überschüttet uns zugleich mit Fragen, auf die wir letztlich keine Antwort wissen. Wenn ich jetzt versuche, aus der Phase des Verstummens heraus etwas zu Leben und Werk von 
Dr. Decker zu sagen, dann möchte ich absichtlich nicht von Art und Weise ihres Todes sprechen.
Als ich am vergangenen Sonntag eine Predigt zu der Frohbotschaft des Tages gehört habe, die unter dem Wort stand. "Ich bin gekommen, Feuer zu bringen, und was will ich anders, als dass es brenne," kam mir der Gedanke, dieses Herrenwort auch über diesen meinen Nachruf gleichsam als Motto zu stellen. Aber als ich dann versuchte, aus allen meinen Begegnungen mit ihr, mir selbst zunächst neu ein Bild von ihr zu machen, um dieses Bild wieder und noch einmal auch hier lebendig werden zu lassen, ist mir als erstes Merkmal dieser großen Frau bewusst geworden, dass sie nicht mit einem Symbol - und sei es das Feuer - zu definieren ist.
Was ist das für eine Frau, die während ihres ganzen Medizinstudiums hier in Würzburg und in München, die während ihrer Fortbildung in Mainz als Fachärztin für Neurologie keinen anderen Gedanken hatte, als Missionsärztin zu werden und nach Afrika zu gehen? Sie gehört damals zu jener Gruppe von Missionsmedizinerinnen, die in all dem Strudel von Ungeist, von Drittem Reich 
und Krieg und Nachkriegszeit, sich gleichsam gegenseitig an den Händen hielten, betend und studierend, damit ja das Ziel Missionsarzt nicht aus dem Blick verschwinde.
Was ist das für eine Frau, die über 25 Jahre in einem Buschhospital von St. Paul's ausgehalten hat? Sie hat ihre Situation in und von St. Paul's als die ihr gesetzte erkannt und bejaht. Für sie war es eine Art von Habakuk-Erlebnis, d. h. von irgend einem Engel dorthin getragen, und statt einer Schüssel Suppe ihr medizinisches Wissen dorthin zu bringen. Aber dann und für immer zu wissen "ich bin hierher getragen worden, und darum ertrage ich es". Und sie wusste um den Busch mehr 
als manch andere.
Frau Dr. Decker war eine ungewöhnlich bewusst, wache Frau. Als solche ist sie angegangen gegen jegliche Art von Verbuschung. Sie hatte viele Bücher, aber sie 
las auch darin. Sie hatte wertvolle Schallplatten, aber sie hörte sie auch. Sie hielt
sich neue medizinische Literatur, aber sie studierte sie auch und publizierte auch immer wieder in wissenschaftlichen Zeitschriften, zuletzt ihre Erfahrung mit der Pest. Sie wusste um den Busch.
Sie wusste um die Vereinsamung und Verarmung im Religiösen und hat es 
erfahren. Darum suchte sie das religiöse Buch, das theologische Gespräch. Aus persönlicher Begegnung hier und dreimal in St. Paul's habe ich selbst erfahren, 
wie randvoll sie war mit Fragen und wie unersättlich.
Warum soll ich es hier nicht sagen? Ich habe wenige Menschen getroffen, die so 
direkt und so hungrig nach Christus gefragt haben und nach dem, was er von Christen will, wie diese ewig fragende Hanna Decker.
Dieses Fragen hängt zusammen mit einer großen Unruhe. Sie war durch und 
durch unruhig im augustinischen Sinn. Es gehörte zum Ritual eines jeden 
Besuches in St. Paul's, einen Gang zum Shangani zu machen, einem nahe vorbeifließenden Strom. Man musste mit ihr am Ufer stehen und schauen, um 
dieses Strömende, Weitergehende, Weiterweisende eines Flusses, der seinen Sinn im Meer sucht, zu erleben.
"Es muss weitergehen" - wie oft sagte Frau Dr. Decker diesen Satz. Weil sie es 
immer wieder sagte, wurde aus dem zunächst reichlich ärmlichen, barackenähnlichen St. Paul's ein Hospital mit Ruf und Rang, mit 
Hebammenschule, mit schwarzen Studenten aus Universitäten von Rhodesien, 
die zur Fortbildung geschickt wurden.
"Caritas Christi urget nos - die Liebe Christi drängt uns, zwingt uns" -
sagt Paulus. Wenn Frau Dr. Decker sagte, "es muss weitergehen", meinte sie, 
es muss immer besser werden, und da kannte sie fast keine Grenzen.
Sicher war für sie der Gedanke, für ein Buschhospital reicht es, keine Grenze.
Sie konnte hartnäckig sein. Die Geschäftsstelle MlSEREOR hat unserem 
Institut eine sehr persönlich gehaltene Kondolenz geschrieben. Man hat dort erfahren und man wusste es, wer Dr. Decker war. Das Ergebnis harter Verhandlungen hat ihr Recht gegeben.
Ja, was war das für eine Frau, diese Hanna Decker? Von keinem unserer 
Mitglieder draußen gibt es so fesselnd geschriebene Rundbriefe wie von ihr. 
Sie hatte die Gabe des Schreibens. Sie hatte sicher nicht mehr Erlebnisse als 
alle anderen, aber sie erlebte sie. Sie erlebte sie bewusst noch einmal, indem sie 
sie formulierte. Vielleicht, weil sie so geöffnet und zu gleicher Zeit so suchend war, fand sie auch soviel, und dies bei Tag und Nacht.
Frau Dr. Decker war buchstäblich zeitlos.
Für sie waren Nachtfahrten etwas Selbstverständliches. Und sie war
unerschrocken. Für eine Frau in einem ungewöhnlichen Extrem.
Dies gilt für alle Bereiche. Als im Raum ihres Hospitals die Pest herrschte, 
kam bei all ihren Berichten nie ein Wort über eine eigene Gefährdung. Keine Nachtfahrt schreckte sie, keine Weglosigkeit machte sie unruhig.
Kann man so 25 Jahre im Busch leben, ohne vom Herrenwort getragen zu sein: "Fürchtet euch nicht!" - diesem ersten österlichen Wort Jesu!?
Als ich voriges Jahr beim Besuch in Rhodesien mit Dr. Decker über die Gefahr 
in diesem Lande sprach und mit ihr Überlegungen über ihre Zukunft anstellte,
hatte  sie nur Gedanken und Interesse an neuen Unterkünften für schwarze Schwestern, für eine Isolierstation und vor allem für eine kleine Buschkirche.
Diese Kirche im afrikanischen Stil war ihr ganzer Traum. Mich hat noch 
ein Brief von ihr erreicht, als sie schon tot war, der fast nur von dieser 
kleinen Kirche handelte.
"Es muss weitergehen - es wird weitergehen!" Genug des Versuchs, aus Erinnerungen und Erfahrungen das Bild unserer ermordeten Missionsärztin 
Dr. Hanna Decker wieder lebendig werden zu lassen. Jeder Mensch ist sehr 
viel mehr als sein Bild.
Dr. Hanna Decker ist - wie ein Strom - nun eingemündet in die 
Ewigkeit Gottes, mit all ihrer Kraft, ihrer Vielseitigkeit, ihrer fraulichen 
Erfülltheit, mit all ihrer Unruhe und mit all ihren Fragen. Wir wollen jetzt miteinander zusammen beten und bitten, dass Gott sie umfangen hält und 
dass sein göttliches Begrüßungswort zu ihr war: 
"Hanna, Mein Friede sei mit Dir!" 

Prof. P. Dr. Urban Rapp ehemals Direktor des Missionsärztlichen Instituts in Würzburg 

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