Apostel Barnabas


Predigt von Bischof    
Paul-Werner Scheele         
Diözese Würzburg am 11. Juni 2002    


In der Heiligen Messe am 11. Juni 2002, dem Gedenktag des heiligen Barnabas, predigte Bischof Paul-Werner in der Kapelle des Exerzitienhauses Himmelspforten vor den versammelten Ordensoberen. Sein Thema war dabei die Orden und Klöster als geistliche Zentren.

Wir brauchen geistliche Zentren

Keine Frage: Wir brauchen geistliche Zentren! Die Kirche braucht sie für ihr eigenes geistliches Leben und für die qualifizierte Wahrnehmung ihrer Sendung. Viele, die nicht in der Kirche beheimatet sind oder sie verlassen haben, schauen nach Hilfen jenseits des "normalen" kirchlichen Lebens auf der Pfarr- oder Bistumsebene aus. Öfter finden sie in den Klöstern, was sie suchen und brauchen. Die Orden und Klöster haben somit eine große Verantwortung. Wollen sie ihr gerecht werden, dann brauchen sie den Geist des Barnabas, dann muss in ihnen lebendig sein, was die Festtagsliturgie von ihm berichtet.

Geistliche Zentren brauchen den Geist des Barnabas
Offen für das Wirken der Gnade

Barnabas wurde von der Urgemeinde mit einer wichtigen Mission betraut. Wegen ihres Glaubens Verfolgte hatten in der Weltstadt Antiochia Zuflucht gefunden. Dort verkündeten sie die Frohbotschaft auch den Heiden. "Die Hand des Herrn war mit ihnen, und viele wurden gläubig und bekannten sich zum Herrn" (Apg 11,21). Die Urgemeinde wollte wissen, ob das mit rechten Dingen zuging. Hatte man möglicherweise faule Kompromisse geschlossen, um viele zu gewinnen? Um dies und anderes zu klären, schickte man ein führendes Mitglied nach Antiochia.

Lukas berichtet als erstes vom ihm, dass er "die Gnade Gottes sah" (Apg 11,22). Das kennzeichnet den Barnabas und ist zugleich ein Hinweis auf das, was die Orden brauchen, um als geistliche Zentren wirken zu können. Barnabas ist offen für das Neue, das in Antiochia geschieht. Vielleicht haben ihn zunächst dieselben Bedenken und Sorgen bedrückt, die man in Jerusalem hatte. Das hätte ihn leicht skeptisch und misstrauisch machen können. Er wurde es nicht. Er sah unvoreingenommen, was sich in der jungen Gemeinde entfaltet hatte und sah in diesem Leben das Wirken der Gnade, er sah "die Gnade Gottes".
Diese Fähigkeit ist von großer Bedeutung. Sie kann durch mancherlei Umstände eingeschränkt werden. Meistens fallen einem Schwächen und Fehler eher in die Augen als das Positive. Überdies verführt die kritische Einstellung vieler Zeitgenossen dazu, mit ihnen auf kritische Distanz zu gehen. Diese Hindernisse werden in dem Maße überwunden, wie man sich von der Gnade Gottes erfassen lässt. Geschieht das, dann wird man sensibel für ihr Wirken, wo immer es sich vollzieht; dann kann man denen, die einen brauchen, zunächst einmal versichern: "Ihr seid in Gottes Gnade" (Kol 3,16); dann kann man sie ermuntern, "der Gnade Gottes treu zu bleiben" (Apg 13,43).

Von Freude bewegt

Diese Erkenntnis kann einen von Herzen froh machen. Wer nur Negatives wahrnimmt, wer überall nur Dekadenz und Schlechtigkeit sieht, kann tieftraurig werden. Selbst wenn er das nicht in Worten ausdrückt wirkt sich das schädlich aus. Wer offen ist für die Gnade Gottes ist auch offen für die Gabe der Freude. Er kann anderen helfen, "voll Freude aus den Quellen des Heils" zu schöpfen (Jes 12,3). Er kann glaubwürdig und liebenswürdig die Frohbotschaft verkünden. Offenkundig war Barnabas ein freudiger Mensch, einer der "fröhlichen Geber", von denen Paulus sagt, dass Gott sie liebt (2 Kor 9,7). Auch als er mit Paulus schweren Herzens nach Jerusalem zog, um die aufgekommenen Streitigkeiten schlichten zu helfen, konnte er Freude vermitteln. Ausdrücklich notiert Lukas, dass er zusammen mit Paulus auf dem Hinweg "allen große Freude" bereitete (Apg 15,3).
Unsere Orden werden in dem Grade als geistliche Zentren wirken, wie der Geist der Freude in ihnen lebt, sie beseelt und bewegt. Das ist gar nicht so leicht; genau gesagt: das übersteigt die menschlichen Möglichkeiten. Um so wichtiger ist das, was Lukas des weiteren von Barnabas berichtet. Er nennt ihn einen trefflichen Mann, "erfüllt vom Heiligen Geist und von Glauben" (Apg 11,23). Direkt daran schließt er die Feststellung an: "So wurde für den Herrn eine beträchtliche Zahl hinzugewonnen" (Apg 11,24).

Erfüllt vom Heiligen Geist und von Glauben

Was menschlichem Geist unmöglich ist, kann durch den Geist Gottes wahr werden. Wir empfangen diese Gabe aller Gaben in dem Maße, wie wir glauben. Der uns von Gott geschenkte Glaube befähigt uns zu einem Leben und Wirken im Heiligen Geist. Wer sich im Glauben Gott anvertraut, wird seiner Gaben teilhaft und wird fähig, sie anderen mitzuteilen.
Je mehr von unseren Orden gilt, was die Apostelgeschichte von Barnabas sagt, je mehr sie "erfüllt vom Heiligen Geist und von Glauben" sind (Apg 11,24), desto mehr sind sie in Wahrheit geistliche Zentren, desto besser können sie die Barnabasdienste wahrnehmen, auf die uns die Festtagslesung hinweist.


Wir brauchen Barnabasdienste

Vermittelnde Dienste


Barnabas begegnet uns als ein begnadeter Vermittler. Ihm gelingt es, die drohende Spaltung zu verhindern, indem er zwischen der Urgemeinde und der neuen Gemeinde in Antiochia vermittelt. Schon früher hat er sich als Vermittler zwischen Paulus und der Jerusalemer Gemeinde bewährt. Als Paulus nach seiner Damaskuserfahrung als Bekehrter nach Jerusalem geht und versucht, sich den Jüngern anzuschließen, stößt er auf große Schwierigkeiten. Lukas lässt uns wissen: "Alle fürchteten sich vor ihm und konnten nicht glauben, dass er ein Jünger war" (Apg 9,26). Furcht ist eine schlechte Beraterin; Angst engt ein und schottet von einander ab. Damals hat Barnabas der Gemeinde und dem Neubekehrten entscheidend geholfen: "Er nahm sich seiner an und brachte ihn zu den Aposteln. Er erzählte ihnen, wie Saulus auf dem Weg den Herrn gesehen habe und dieser mit ihm gesprochen habe und wie er in Damaskus mutig und offen im Namen Jesu aufgetreten sei"(Apg 9,27). Die Vermittlung gelingt; sie ist der Anfang weiterer Vermittlungsdienste. Diese waren später nochmals dringlich geworden, als Eiferer die Glaubenspraxis in Antiochia attackierten. Die dortige Gemeinde sandte daraufhin Barnabas und Paulus nach Jerusalem. Beim sogenannten Apostelkonzil konnte Barnabas erneut sein Vermittlergeschick unter Beweis stellen.

Wer will bezweifeln, dass heutzutage allenthalben solche Barnabasdienste gebraucht werden. Wie viel Unversöhnliches gibt es in unserer Kirche! Wie viele schlimme Polarisierungen bedrohen unsere Einheit! Wie viel Energie geht in innerkirchlichen Auseinandersetzungen verloren! Darüber hinaus sind Vermittlerdienste in der Ökumene vonnöten. Zunehmend erkennt man auch evangelischerseits die Bedeutung, die Kommunitäten dabei haben, die zusammen mit unseren Ordensgemeinschaften Brücken des Friedens bauen können!

Nachgehende Dienste

Nicht vergessen sei, was Barnabas für Paulus getan hat. Eben haben wir uns an seinen Einsatz für ihn unmittelbar nach seiner Bekehrung erinnert. Vielleicht war noch wichtiger, dass Barnabas später von Antiochia nach Tarsus gezogen ist, "um Saulus aufzusuchen" (Apg 11,25). Das war nicht von Jerusalem aus vorprogrammiert; das ging auch über die Aufgaben hinaus, die in Antiochia direkt anstanden. Barnabas hielt es für geboten, Paulus nachzugehen, der sich in seine Heimat zurückgezogen hatte. Das war offenkundig nicht so leicht. Lukas betont, dass er ihn schließlich gefunden hat. Nicht geschrieben steht, was er ihm alles gesagt hat, um ihn für den Einsatz in Antiochia und möglicherweise damals bereits für die Mission zu gewinnen. Statistiker hätten dem Barnabas vorhalten können, zu Gunsten eines einzigen verlasse er die vielen Hilfsbedürftigen der wachsenden Gemeinde. Jahrzehnte später hätten Statistiker feststellen können, dass diese Aktion richtig war, da sie es ermöglich hat, eine riesige Zahl von Gläubigen zu gewinnen.

In der religiösen Großwetterlage unserer Tage werden nachgehende Dienste dieser Art immer wichtiger. Auch wenn sie nicht den Orden allein aufgetragen sind, gehören sie doch zu deren wichtigsten Aufgaben. Sie hängen mit dem dritten Barnabasdienst zusammen, von dem am Ende unserer Lesung die Rede ist.

Missionarische Dienste

Zusammen mit dem von ihm gewonnenen Paulus steht Barnabas im Dienst der Mission. Zunächst widmen sich beide in Antiochia der Verkündigung. Sie "unterrichteten eine große Zahl von Menschen," (Apg 11,26) hält Lukas fest. Dann berichtet er, dass die dortigen Jünger, die "zum erstenmal Christen" genannt wurden (Apg

11,26), wirkliche Jünger geworden waren, Jünger, die bereit waren, die Christuswahrheit weiterzugeben. Sie sind offen für die Weisung des Heiligen Geistes: "Wählt mir Barnabas und Saulus zu dem Werk aus, zu dem ich sie mir berufen habe" (Apg 13,2). So geschieht es: "Da fasteten und beteten sie, legten ihnen die Hände auf und ließen sie ziehen" (Apg 13,3).
Nach wie vor ist die Weitergabe des Evangeliums ein Grundauftrag der ganzen Kirche und damit ihrer Orden. Diese werden immer mehr zu geistlichen Zentren, wenn sie sich diesem Grundauftrag stellen. Die geistige Situation in Deutschland ist so, dass man zur Verkündigung an die Heiden nicht erst in die Ferne ziehen muss. Gewiss sind jetzt neue Methoden gefragt. Gerade Orden können dabei Pionierdienste leisten. Wichtig ist, dass man das gesamte Spektrum der Adressaten im Blick hat, von dem das Festevangelium spricht: die Kranken und die Aussätzigen, die Besessenen, kurz: alle, denen das Reich Gottes zugedacht ist, und das sind alle Menschen. So kann die Aufgabe, als geistliche Zentren zu wirken, den Erkenntnishorizont und den Wirkungsbereich enorm ausweiten. Für alle aktiven geistlichen Zentren gelten die Worte: "Ihr Feld ist die Welt" (Mt 13,38).
Halten wir fest: Kirche und Welt brauchen geistliche Zentren. Geistliche Zentren brauchen den Geist des Barnabas. Kirche und Welt brauchen Barnabasdienste. Bitten wir den Herrn um seinen Heiligen Geist, dass das wahr wird zur Ehre Gottes und zum Heil der Menschen. Amen.
- pow -



 

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