ZERSTÖRTES HEIM
 

Zerstörtes Heim

In seinem Quartier angekommen ... keine Kirche mehr, sie war niedergebrannt, keine Häuser mehr, alles war verkohlt. Von seiner Wohnstätte blieb nur die Asche übrig. Er wühlte da und dort: Hier stand die Küche, Geschirrscherben und daneben einige Bruchstücke noch lauwarmer Gebeine, das war alles, was von Midori übrig blieb. Ach nein, dicht neben den Knochen, in der Asche verborgen, findet er noch ein paar Glasperlen und die Kette eines Rosenkranzes ineinander verschmolzen. Er verbrachte jene Nacht allein in einem Schutzgraben und preßte die Überreste seiner Gattin an sein Herz.
        Am Morgen des 12. August wehte ein milder Wind auf dieser durch die Sünden der Menschen zerrissenen Erde. Nagai warf sich auf die Knie und betete, den geschmolzenen Rosenkranz zwischen seinen abgemagerten Fingern, für die Seelenruhe der 30 000 Opfer dieser Katastrophe. Dann beerdigte er die wenigen Überreste seiner Gattin und brach auf nach Mitsuyama.
        Mitsuyama ist ein kleines, ungefähr acht Kilometer von der Stadt entfernt liegendes Dörfchen, wohin sich Nagais Schwiegermutter und seine beiden Kinder geflüchtet hatten. Das sechsjährige Mädchen Kayano und ihr elfjähriger Bruder Makoto sprangen auf, als sie ein Geräusch an der Türe hörten, wichen aber plötzlich zurück, als sie vor ihrem mit Blut befleckten Vater standen. Makoto, als erster, schaute hinter seinen Vater, denn jemand fehlte noch ... Aber die Mutter war nicht da.
        Das Dörfchen war von evakuierten Verwundeten überfüllt. In der ganzen Umgebung waren Notunterkünfte errichtet worden. Auch hier gab es allerhand zu tun; die in Eile behandelten Wunden waren teilweise bereits entzündet und sollten sofort desinfiziert werden; die Schwerverwundeten mußten an Ort und Stelle gepflegt werden. Nagai zögerte auch hier nicht, seine Pflicht zu erfüllen. Aber der erlittene Blutverlust und besonders die Ausstrahlungen der Atombombe hatten die Krankheit des Doktors verschlimmert. Seine Widerstandsfähigkeit nahm täglich ab. Am Abend des 14. August, nach beendetem Tagewerk, mußte man ihn nach Hause tragen.
        15. August, Maria Himmelfahrt. Nagai befand sich in der Kirche, um die heilige Messe anzuhören, als das Donnern feindlicher Bomber den Priester zwang, die heilige Handlung zu unterbrechen. Nicht einmal in diesem Kirchlein, mitten in den Bergen, konnte man ungestört beten.
        Am 15. August mittags wurde vom Rundfunk die kaiserliche Botschaft übertragen, welche die Übergabe des Landes an den Feind bekannt gab. Ein Professor hatte diese Nachricht aus der Stadt gebracht. Niederlage! Nagai weinte bitterlich, alle weinten; man aß nichts mehr, man trank nichts mehr, sogar die Konsultationen wurden eingestellt.
Erst nach einigen Tagen begann das Leben wieder. Nagai entließ die Krankenschwestern seiner Hilfsgruppe. «Bleibt denn niemand da, um dich zu pflegen?» beunruhigte sich seine Schwiegermutter. «Meine Krankheit hat den Grad erreicht, für den keine Hilfe mehr nötig ist», erwiderte Nagai. In der Tat war sein ganzer Körper, und besonders sein Gesicht angeschwollen. Die Wunde an der rechten Schläfe hatte sich von neuem geöffnet, und das Fieber stieg auf vierzig Grad. Freunde ließen einen Arzt kommen. Alles wurde versucht: blutstillende Watte, Stärkungsmittel für das Herz, Einspritzungen ... aber alles schien vergeblich. Nagai erhielt die letzte Ölung.
        «Ich sterbe zufrieden», sagte er, «und bedaure nichts. Euch allen danke ich für alles.» Mit diesen Worten schlief er ein. Merkwürdigerweise schien am anderen Morgen die Wunde zu heilen, das Blut zu gerinnen. Eine Woche später war die Wunde vollständig geheilt. Nagai, der immer noch das Bett hüten mußte, sagte: «Sobald ich aufstehen kann, kehre ich nach Urakami zurück. Die Arbeit wartet meiner dort!»

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