Materialist
Takashi Nagai wurde im Jahre 1908 in Izumo, dem heiligen
Lande der japanischen Mythologie, geboren. Die katholische Religion kannte
er nicht; der Shintoismus ließ ihn gleichgültig. Die gute elterliche
Erziehung entwickelte in ihm eine charakterfeste, mit brennendem Eifer für
das Studium begabte Persönlichkeit. Sein Vater war Arzt; seine Mutter
stand ihrem Gatten in der Ausübung seines Berufes zur Seite und erzog
ihre fünf Kinder. Sie hegte den einen Wunsch, den ältesten Sohn
als erfolgreichen Nachfolger des Vaters erleben zu dürfen. So trat Takashi
nach Abschluß der Mittelschule in die medizinische Fakultät von
Nagasaki ein. Er war zwanzig Jahre alt.
Wir befinden uns
im Jahre 1928; der wissenschaftliche Materialismus erlebte damals in Japan
seine Blütezeit. Über jene Jahre schrieb Doktor Nagai folgende Zeilen:
«Seit Studienbeginn war ich ein Gefangener des Materialismus geworden.
Kaum in die medizinische Fakultät eingetreten, begann ich mit der Sektion
von Leichen. Hier sei, sagte man mir, alles, was der menschliche Körper
enthalte. Daraus zu schließen, daß der Mensch nur Materie sei,
fiel mir nicht schwer. Der wunderbare Aufbau des menschlichen Körpers,
die äußerst genaue Regelung seiner kleinsten Teile, all dies erweckte
in mir die höchste Bewunderung. Aber was ich befühlen konnte, war
bloß reine Materie.»
Die Zusammensetzung
der Organe, ihre Zusammenarbeit, alles wurde ihm erklärt. Wie hätte
er die wirkliche Gegenwart einer so unbestimmten Wesenheit wie die «Seele»
annehmen können? Ließ sich der menschliche Körper nicht auf
die Zusammensetzung einfacher Bestandteile, wie Sauerstoff, Stickstoff, Calcium
etc. zurückführen? Die Seele ... ? Nichts anderes als ein von Betrügern
erfundenes Gespenst, um einfache Leute zu täuschen!
Und dennoch beunruhigte
ihn das Problem des Lebens. Entschlossen, die Wahrheit nur in der einzig
richtigen Experimentalwissenschaft zu suchen, wandte er jeden geistigen oder
religiösen Gedanken von sich. Im Jahre 1930 sollte ihn der plötzliche
Tod seiner Mutter diesen Illusionen entreißen.